Physiknobelpreis 1909: Guglielmo Marconi — Ferdinand Braun

Physiknobelpreis 1909: Guglielmo Marconi — Ferdinand Braun
Physiknobelpreis 1909: Guglielmo MarconiFerdinand Braun
 
Der italienische und der deutsche Physiker erhielten den Nobelpreis »in Anerkennung ihrer Verdienste um die Entwicklung der drahtlosen Telegrafie«.
 
 Biografien
 
Guglielmo Marconi, * Bologna 25. 4. 1874, ✝ Rom 20. 7. 1937, gründete 1897 die Wireless Telegraph Company (später Marconi-Gesellschaft), 1899 per Funk Überbrückung des Ärmelkanals, 1901 Überbrückung des Atlantiks zwischen Cornwall und Neufundland.
 
Ferdinand Braun, * Fulda 6. 6. 1850, ✝ New York 20. 4. 1918; 1874 Mathematik- und Physiklehrer an der Leipziger Thomasschule, 1877 außerordentlicher Professor der Physik in Marburg, 1880 ordentlicher Professor für Physik in Straßburg. 1898 Gründung »Prof. Brauns Telegraphie GmbH«, 1901 Aufkauf durch Siemens & Halske, 1903 entsteht als Tochtergesellschaft von Siemens und AEG die Telefunken-Gesellschaft.
 
 Würdigung der preisgekrönten Leistung
 
Die Entdeckung und der Nachweis elektromagnetischer Wellen gelang dem deutschen Physiker Heinrich Hertz; die mathematische Theorie dazu stammte vom britischen Physiker James Clerk Maxwell, der 1864 auf 20 Jahre alte Ideen des britischen Physikers Michael Faraday zurückgreifend die später so genannten Maxwell'schen Gleichungen aufstellte. Sie bildeten zunächst nur die Grundlage einer weiteren Theorie des Lichts, das ihr zufolge aus transversalen Schwingungen jenes Mediums bestehe, das damals Äther genannt wurde. Diese Schwingungen seien der Grund für die elektrischen und die magnetischen Phänomene. Erst als Hertz 1888 in einem Hörsaal der Technischen Hochschule Karlsruhe elektromagnetische Wellen erzeugen, verfolgen, brechen, reflektieren und fokussieren und auch zeigen konnte, dass Licht und Wärmestrahlung zu den elektromagnetischen Wellen gehören, hatte sich die elektromagnetische Feldtheorie durchsetzen können.
 
 
Die Hertz'schen elektromagnetischen Wellen werden von einem elektrischen und einem magnetischen Feld gebildet, die zueinander und zur Wellenausbreitungsrichtung senkrecht stehen und sich in ihrer Stärke schnell ändern. Maxwells Theorie zufolge hat ein sich änderndes elektrisches Feld die Entstehung eines magnetischen Felds zur Folge und umgekehrt; die so erzeugten Wellen breiten sich mit Lichtgeschwindigkeit aus. Hertz verwirklichte diesen Prozess, indem er einen Strom in einem Draht schwingen ließ: An einen Funkeninduktor (Induktionsspule) mit Funkenstrecke knüpfte er zwei Drähte als Antenne, und an den Funkeninduktor legte er eine derart hohe Spannung an, dass es in kurzen Abständen zu Entladungen kam, woraufhin die gespeicherte Ladung über die Funkenstrecke durch die Antenne oszillierte. Dieser Wechselstrom hatte ein rund um den Draht entstehendes magnetisches Wechselfeld zur Folge sowie die Abstrahlung elektromagnetischer Wellen, wobei die Drahtlänge gerade deren halber Wellenlänge entsprach. Hertz gelang es, die gesendeten Wellen im freien Raum nachzuweisen. Zu deren bis zu 20 Meter entfernten Empfang diente ihm wiederum eine Funkenstrecke, die zwischen den Enden einer kreisförmig gebogenen Drahtschleife bestand. Wenn hier ein Funke übersprang, war die gesendete Welle so stark gewesen, dass sie in der Empfängerschleife eine dazu genügend starke Stromschwingung induzieren konnte.
 
 Drahtlose Telegrafie
 
Elektromagnetische Telegrafie wurde seit Mitte des 19. Jahrhunderts über- und unterirdisch durch isolierte Stromleitungen betrieben und seit den 1860er-Jahren gab es auch Transatlantikkabel. Wichtige Telegrafenapparate wurden in Europa vom deutschen Mathematiker und Astronom Carl Friedrich Gauß und dem deutschen Physiker Wilhelm Weber, dem deutschen Ingenieur und Unternehmer Werner Siemens und dem amerikanischen Maler und Erfinder Samuel Morse konstruiert. Einen ähnlichen Punkt-Strich-Code wie den, den Morse für die Draht-Telegrafie benutzt hatte, übernahm der 20-jährige Guglielmo Marconi in Bologna, um drahtlos Zeichen zu übertragen. Punkten und Strichen entsprachen dabei kurze, beziehungsweise lange Wellenpakete, die er mit einem Funkeninduktor erzeugte. Die Entladungen konnte er nun allerdings kontrolliert mit einer Morsetaste auslösen. Außerdem ergänzte er die Hertz'sche Anordnung um einen Erdanschluss und eine hohe Antenne, woraufhin die elektrischen Schwingungen längere Wellen erzeugten. Bereits bei seinen ersten Versuchen im Jahr 1895 konnte Marconi mit dieser Anordnung elektromagnetische Wellen senden, die bis zu 2,4 Kilometer weit entfernt empfangen werden konnten. 1897 gelangen ihm schon Wellensendungen über 14 bis 20 Kilometer, 1899 glückte ihm die erste Funkverbindung über den Ärmelkanal und 1901 überbrückte er so den Atlantischen Ozean. Ohne systematische Schulbildung und Studium hatte Marconi mit großem Interesse Vorlesungen des italienischen Physikers Augusto Righi gehört und die Arbeiten von Hertz gelesen. Aber physikalische Weiterentwicklungen waren nicht von ihm zu erwarten; er hielt sich an technologische Verbesserungen von Sender und Empfänger. Als Nachweisgerät benutzte Marconi den von dem Franzosen Edouard Branly 1890 erfundenen und auch von dem russischen Physiker Alexander Popow benutzten Kohärer oder »Fritter«. Darin befinden sich Metallspäne in einem Röhrchen zwischen zwei Elektroden, die von den ankommenden Wellen zusammengedrückt werden und daraufhin als leitende Verbindung einen Stromkreis schließen. Mit einem Kopfhörer waren die Signale hörbar.
 
 Ferntelegrafie
 
An Hertz' drahtlose Telegrafie knüpfte 1898 Carl Ferdinand Braun an. Im Jahr zuvor hatte er mit Experimenten zur Telegrafie durch Wasser begonnen; anders als zum Beispiel der Großindustrielle Emil Rathenau schon fünf Jahre zuvor arbeitete Braun hier aber mit Hochfrequenzschwingungen. Er gab die Wassertelegrafie bald zugunsten der Telegrafie durch Luft auf. Zunächst verbesserte er Marconis Sender durch induktive Kopplung der Antenne an einen weiteren geschlossenen Schwingkreis. Mit diesem Prinzip ließ sich die Schwingkreiskapazität beliebig groß wählen, die in ihm gespeicherte Energie und die Reichweite des Senders entscheidend erhöhen.
 
Für einen dem Kohärer überlegenen Funkempfänger nutzte Braun ein Phänomen, das er schon 1874 entdeckt hatte, als er eine Drahtspitze auf kristallines Metall gepresst und so einen Stromkreis gebildet hatte, bei dem die Stärke des Stroms von seiner Richtung abhing. »Kristalldetektoren« wie dieser wurden zunächst jedoch von den ab 1906 entwickelten und sicherer funktionierenden Elektronenröhren verdrängt. Erst mit der in den 1920er-Jahren einsetzenden Halbleiterforschung wurde Brauns Entdeckung wieder interessant. In Brauns Forschungsprogramm der Hochfrequenzphysik wurden in den Jahren 1897 bis 1914 in Straßburg sowohl Grundlagen als auch praktisch-technische Probleme untersucht.
 
R. Seising

Universal-Lexikon. 2012.

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